Lässt man einzelne Personen das Schlachtgewicht eines Ochsen schätzen und nimmt anschließend den Mittelwert aller Schätzungen, hat man so ziemlich genau das tatsächliche Gewicht des Tieres ermittelt. Individuelle Schätzungen eines Fachmannes – in diesem Fall beispielsweise eines Metzgers – punkten nicht mit der gleichen Genauigkeit. Mit dieser Anekdote über ein Gewinnspiel im Rahmen einer Nutztiermesse im Jahr 1906 leitet James Surowiecki sein Buch „Die Weisheit der Vielen“ ein. Die kollektive Intelligenz oder auch Schwarmintelligenz ist ein bekanntes Phänomen aus der Tierwelt und psychologischer oder soziologischer Forschungen. Der Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär…?“, die Ortung des verschollenen amerikanischen U-Boots USS Scorpion oder die anfangs erwähnte Ochsenfleischschätzung gelten als gängige Beispiele für geteilte Intelligenz. Richtiger wäre es vielleicht von einem stochastischen Phänomen anstatt von geteilter Intelligenz zu sprechen, da es sich zunächst einmal um nichts anderes als eine Mittelwertsanalyse handelt: Mit steigender Anzahl von Schätzungen nähert sich diese dem tatsächlichen Wert an. Fest steht aber, dass unter bestimmten Bedingungen eine Personengruppe bessere Entscheidungen trifft als individuelle Personen. Die Größe einer Gruppe kann hier als Korrektiv wirken.
Zurück zu James Surowiecki, der Weisheit der Vielen und den Bedingungen, die es braucht, um geteilte Intelligenz zu ermöglichen. Besonders wichtig ist, dass Heterogenität und Meinungsvielfalt innerhalb der Personengruppe herrschen. Diese Vielfalt stellt unterschiedliche Herangehensweisen, Lösungsansätze und Kompetenzen sicher und schafft so die Basis für Kreativität und die Entstehung von etwas Neuem. Die Personen sollten zusätzlich die Möglichkeit haben, ihre Meinung unabhängig voneinander äußern zu können. Sind die Meinungen anderer Gruppenmitglieder bekannt, tendieren Menschen dazu, ihre eigene Sichtweise entweder aus Unsicherheit oder wegen des Wunschs nach Einstimmigkeit an die bereits geäußerten anzupassen. Auch Hierarchien verzerren logischerweise Einzelmeinungen. Zusammengefasst bedeutet das: Eine heterogene, hierarchielose und dezentrale Gruppe trifft am ehesten intelligente Entscheidungen.
Es hat durchaus einen Grund, warum sich geteilte bzw. Schwarmintelligenz in den letzten Jahren zu einem regelrechten Buzzword entwickelt hat. Die Digitalisierung schafft eben jene Bedingungen, die geteilte Intelligenz ermöglichen. Sie schafft Räume für heterogene, hierarchielose und dezentrale Kommunikation und Interaktion. Informationen, Ideen und Meinungen können unabhängig von Ort und Zeit geäußert werden und eine unbegrenzte Personenanzahl mit unterschiedlichstem fachlichem Hintergrund, mit verschiedenen Erfahrungen und individuellem Wissen kann miteinander in Austausch treten. Somit kann man von einer kollektiven Intelligenz sprechen, die im besten Fall neue Lösungsansätze und Ideen hervorbringt.
Wenn sich Open Innovation und Crowd Sourcing treffen
Dass mit der Digitalisierung die Intelligenz der Vielen genutzt werden kann und somit Potenziale der Ideen- und Lösungsgenerierung entstehen, haben auch Unternehmen erkannt. Gerade in einer Unternehmenswelt geprägt durch immer geringen Markteintrittshürden, kürzere Produktzyklen und sich stets wandelnden Bedürfnissen, sind neue Ideen und die Fähigkeit zur Innovation für Unternehmen besonders wichtig. Die Digitalisierung schafft aber nicht nur Räume für Kommunikation und Interaktion, sondern unterstützt Organisationen zudem darin, Innovationsprozesse offener zu gestalten. Das heißt durch die Öffnung der Unternehmensgrenzen über digitale Kanäle können nicht nur interne Quellen wie die eigenen Mitarbeiter, sondern auch externe Quellen wie Kunden, Lieferanten oder Experten leichter, schneller und erfolgreicher in Innovationsinitiativen eingebunden werden. Zwar führen die eigenen Mitarbeiter die Liste der Innovationsquellen an – sie kennen die Prozesse, Produkte und Kunden – aber gerade bei der Entwicklung neuer Produkte ist es nur logisch, Konsumenten in den Innovationsprozess zu integrieren. Crowd Innovation ist hier eine Möglichkeit, die Innovationskraft einer Organisation in Kollaboration mit Kunden zu steigern. Es verbindet Open Innovation Ansätze mit Community-basiertem Crowd Sourcing. Begriffe, die gerne munter durcheinander gemischt werden und jeder etwas anderes darunter versteht. Wir versuchen uns an einer kurzen Abgrenzung, um zu zeigen was Open Innovation und Crowd Sourcing sind, was sie nicht sind und welche Vorteile sich aus der Verknüpfung beider Ansätze zur Crowd Innovation Methode ergeben.
Der Vater von Open Innovation, wie sich Henry Chesbrough in einem Artikel des Forbes Magazins nennt, definiert Open Innovation als “[…] the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively.” Es ist die Öffnung der Unternehmensgrenzen, um externe Ideen, Wissen und Stakeholder in den Innovationsprozess zu integrieren. Die Außenwelt wird genutzt, um das eigene Innovationspotenzial zu vergrößern. Das ursprüngliche Verständnis von Open Innovation entspricht der Transaktionen bzw. Internalisierung von unternehmensexternen Technologien und Lösungen in das Unternehmen. Diese Prozesse funktionieren nicht nur „Outside-In“, sondern ebenso gut „Inside-Out“. Ideen, die man selbst nicht vorantreiben möchte, können nach außen getragen werden. Open Innovation ist zunächst einmal nicht auf eine große Personenzahl oder digitale Prozesse angewiesen. Moderne Technologien erleichtern aber die Öffnung der Unternehmensgrenzen und beschleunigen die Aufnahme und Integration des externen Inputs.
Crowd Sourcing hingegen benötigt eine digitale Infrastruktur, um die hohe Anzahl an involvierten Personen zu erreichen, über die sie sich definiert. Kurz gesagt ist Crowd Sourcing eine moderne Form der Arbeitsteilung, die eine effiziente und kostensparende Aufgabenbewältigung über das Outsourcen an eine freiwillig arbeitende Masse ermöglicht. Wichtig ist hierbei, dass es sich klassischerweise um eine anonyme Masse handelt, die sich nicht durch den Aufbau einer längerfristigen Beziehung definiert. Zudem hat die Methode im ursprünglichen Sinn zunächst einmal nichts mit der Optimierung von Innovationsprozessen zu tun.
Co-Creation mit Kunden
Crowd Innovation kombiniert mit Hilfe digitaler Technologien die Öffnung der Unternehmensgrenzen für externen Input mit den Kollaborationspotenzialen der Masse. Es ist die digitale Öffnung von Innovationsprozessen für skalierbare Kollaboration mit einer Community und bietet die Möglichkeit für Co-Creation mit Kunden. Unter Crowd Innovation verstehen wir eine kunden- und konsumentenzentrierte Innovationsinitiative, die im Gegensatz zum klassischen Crowd Sourcing einen dauerhaften und aktiven Dialog mit den Kunden ermöglicht. Dieser findet nicht nur zwischen dem Unternehmen und der Community statt, sondern ermöglicht auch den Austausch der Personen innerhalb der Community untereinander. In Abgrenzung zum ursprünglichen Open Innovation Ansatz zeichnet sich Crowd Innovation durch einen offenen Ansatz aus, der nicht nur offline durchgeführt wird, z.B. in Workshops, sondern auch mit großen Teilnehmerzahlen über das Internet. Hierdurch wird die Kollaboration skalierbar und externes Wissen kann über einen langfristigen Beziehungsaufbau vernetzt und nutzbar gemacht werden. Die Vernetzung der Kunden auf einer online Plattform ermöglicht nicht nur das Teilen von Ideen und Wissen, sondern die Community Mitglieder können auch miteinander in Austausch und Diskussion treten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit innovative Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln, da heterogene, interdisziplinäre Wissensquellen aufeinandertreffen und neue Impulse entstehen.
Die Herausforderung bei online Kollaboration besteht darin, der Community möglichst viel kreativen Freiraum zu ermöglichen und gleichzeitig einen strukturierten und zielführenden Prozess mit umsetzbaren Ergebnissen sicherzustellen. Kollaborationsprojekte mit Kunden sollten daher in aufeinanderfolgende Phasen aufgeteilt werden. Bevor man den Kunden mit der Bitte nach marktfertigen Produkten überfällt, könnte man beispielsweise zunächst Kundenbedürfnisse, Produktanforderungen oder Verbesserungspotenziale identifizieren. Zu Beginn einer Kundenkollaboration wird also möglichst viel Input gesammelt, bevor die Fragestellung über die Funnel-Logik Schritt für Schritt immer stärker konkretisiert wird. Das stellt die Eingrenzung auf umsetzbare Ergebnisse sicher. Innerhalb der einzelnen Phasen haben die Kunden die Möglichkeit Vorschläge zu entwerfen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Interaktionen innerhalb der Kundencommunity mit einzelnen Vorschlägen und Bewertungssysteme der Plattform helfen relevante Ideen zu erkennen und zu priorisieren. Mit dem gesammelten Wissen können konkretere Fragestellungen für die darauffolgende Phase abgeleitet werden. Durch ein Zusammenspiel zwischen offener Diskussion und nachfolgender Konsolidierung können so Relevanz und Qualität der Vorschläge garantiert werden. Nach der Identifizierung relevanter Ideen, werden diese kollaborativ mit den Kunden zu Lösungsansätzen und schlussendlich fertigen Produktideen ausgearbeitet. Voting oder Prototype Testing stellt eine nutzerzentrierte Realisierung der Ideen sicher.
Die Vorteile der innosabi Technologie
Mit Crowd Innovation lassen sich in Kooperation mit der eigenen Zielgruppe Bedürfnisse und Verbesserungspotenziale erarbeiten, wodurch Produkte entwickelt werden, die auch wirklich am Markt gefragt sind. Die innosabi Software unterstützt Unternehmen bei der Co-Creation mit Kunden Communities, die direktes und iteratives Kundenfeedback entlang des gesamten Innovationsprozesses erlauben. Die Vernetzung relevanter Stakeholder auf einer online Plattform schafft den nötigen Freiraum und die Heterogenität, um Entwicklungsprozesse innovativ und kreativ zu gestalten und stellt gleichzeitig die Einheitlichkeit der erhobenen Daten sicher. Durch den zeitnahen und offenen Dialog können Kundennähe aufgebaut, Innovation beschleunigt und Risiken sowie Kosten minimiert werden.